Ausstellung im Architektur Forum Tirol, Innsbruck, 2010

 

 

Flüchtlingslager sind die vermutlich direkteste Umsetzung von Politik in Raum. Ausgehend von konkreten Situationen in West- und Zentralafrika setzt er sich mit den Auswirkungen einer bedenklichen Planungsstrategie auseinander. Manuel Herz hinterfragt dabei die Rolle des Architekten und Planers in einem Kontext von humanitärer Hilfe in Reaktion auf kriegerische Auseinandersetzungen. So werden beispielsweise die derzeit rund 1.000 weltweit existierende Flüchtlingslager in den meisten Fällen nach ein und demselben Modell der UNHCR gebaut.

Beginnend beim Zelt als zentralem Element in der Ordnungsstruktur und Systematik werden die Lager hierarchisch in Cluster, Blöcken und Sektoren organisiert, durch Wege unterteilt und durch Straßen erschlossen. Dieser auf rein technischer Ebene abgehandelte Planungsansatz, ignoriert die sozialen, politischen und gesellschaftlichen Konsequenzen. Lokale Gegebenheiten und soziale Auswirkungen werden negiert, etwa wenn für Lager im Süden Tschads bewaldete Flächen mitten in Naturschutzgebieten als Standort zugewiesen werden oder gigantische „Suburbias“ ohne jede städtische Struktur entstehen. Welche Auswirkungen haben Planungsstrategien wenn als temporär geplante Flüchtlingslager sich nach 35 Jahren zu den größten urbanen Siedlungen der gesamten Sahara entwickeln? In wie weit eignen sich gerade die technischen Planungsmodelle für eine politische Instrumentalisierung?

Auf Basis seiner Recherchen und mittels ausgewählter Dokumente verdeutlicht Manuel Herz die Architektur der Flüchtlingslager als Beispiel einer auf europäischen Normen basierenden, fortgesetzten, verstetigten, kolonialen Praxis. „Mit einem einzigen Modell in allen Krisengebieten operieren zu wollen, spiegelt in fast entblößender Weise die Mechanismen und Muster der Kolonialisierungsprozesse des 19. Jahrhunderts wieder, die Werte der Aufklärung in das „wilde Afrika“ oder den Orient bringen sollten. Die schöne Ordnung, die auf westeuropäischen Wertevorstellungen beruht, wirkt jedoch in der staubigen Hitze der Wüste oder den Tropenwäldern, und häufig in nächster Nähe zu kriegerischen Auseinandersetzungen wie eine Narrenplanung.“

 

Die Ausstellung besteht aus drei Elementen: An der einen Wand befinden sich grossformatige Satellitenbilder von Flüchtlingslagern der West-Sahara und des Tschads. Sie stellen den 'distanzierten Blick' dar, mit dem Flüchtlingslager betrachtet und analysiert werden. Es ist der planerische Blick. An der gegenüberliegenden Wand befinden sich Photos aus den gleichen Lagern die bei Besuchen im Jahr 2006 und 2007 aufgenommen wurden. Sie stellen den 'involvierten Blick' dar. Es sind dokumentarische Aufnahmen, die die Zelte, Infrastrukturen und Einrichtungen in den Vordergrund stellen. In der Mitte befindet sich ein grosser Tisch mit Dokumenten, Plänen und Texten. Neben einer Dokumentation der Flüchtlingslager stellt dieser Bereich auch den 'Diskurs über Lager' dar. Wie wird das Thema des Flüchtlingslagers diskutiert? Welche Kompromisse, Widersprüche und Dilemmata werden durch Flüchtlingslager ausgelöst? Welche Rolle spielen Sie im grösseren Kontext des Humanitären Handelns? Diese, und andere Fragen sind einer heftigen Dikussion ausgesetzt, die im Zentrum des Raumes ausgestellt wird.

 

Manuel Herz, 2010